Bernhard Paul Circus Roncalli - eine lebende Legende

Circus Roncalli


1975 kündigt der Zirkusnarr Bernhard Paul seinen Job als Art-Director. Er kauft sich einen alten Holzwagen, denn er will nicht nur von seinem eigenen Circus träumen. Das "Projekt" Circus Roncalli ist geboren.

Am 18. Mai 1976 feiert der Circus Roncalli mit dem Programm "Die größte Poesie des Universums" seine Uraufführung beim "Bonner Sommer" in der damaligen Hauptstadt. In dieser Zeit stößt André Heller dazu, der sich schon ein Jahr später nach einem Disput vom Freund Paul trennt. Heller prognostizierte: Die Poesie ist tot. Er sollte nicht Recht behalten.

1977 Aller Anfang ist schwer. Bernhard Paul muss nach seinem Wien-Gastspiel aufgeben - vorerst. Um sich selbst finanziell über Wasser zu halten, tingelt er als Clown durch Kaufhäuser, Ausstellungen und Festivals. Die Idee "Roncalli" rumort in ihm jedoch nach wie vor weiter. Zurück in den sicheren Job der Werbung? Nein, das steht für ihn nicht zur Debatte.

1978 siedelt Paul mit ein paar Restbeständen seines Circus nach Köln und baut ein historisches Panoptikum, mit dem er über Jahrmärkte reist. Jedem, der es hören oder auch nicht hören will… immer wieder erzählt Bernhard Paul von seinem Zirkustraum. Schließlich finden sich ein paar Idealisten und beginnen, alte Wagen für einen "neuen" Roncalli zu restaurieren.

1979 Ein ziemlich hartes Jahr. Bernhard Pauls Taschen sind leer und er hat niemanden, der an ihn glaubt und ihm Geld leiht. Der Zirkus in Deutschland ist zu diesem Zeitpunkt in einer großen Krise. Und trotzdem, Bernhard Paul beißt sich durch. In einer verlassenen Stollwerk-Fabrik in Köln arbeiten Tischler, Zimmerleute, Wagenbauer, Schlosser, Elektriker, Maler, Restaurateure, Kostümbildner, Schneider, Musiker, Artisten und Künstler an der Realisation des Roncalli Projekts. Der neue "Circus Roncalli" langsam wieder ein Gesicht. Bernhard Pauls Motto: "Am Ende muss alles so sein, dass du glaubst, der Circus ist gerade aus dem Märchenbuch gerollt."

1980 Noch jemand glaubt an den Roncalli Traum. Emil Steinberger, Schweizer Kabarettist und Schweizer Held unterstützt Bernhard Paul mit Rat, Tat und Geld. Am 4. Juni heißt es wieder "Manege frei" - Bernhard Paul hat es geschafft! Die Zuschauer sind aus dem Häuschen, keiner kann sich dem Zauber entziehen. Die Artisten werden zu Stars. Vor allem der poetische Clown "Pic".

1981 Das erste Buch "Hereinspaziert", erscheint. Die Circuswagen werden schöner, Bernhard Paul expandiert. Der Detail besessene Circusdirektor möchte die Menschen nicht nur im Zelt verführen, er möchte die Menschen viel früher erreichen. Angefangen bei der aufwendig gestalteten Eintrittskarte bis hin zur Platzgestaltung. Sogar der Einlass wird zum Ereignis. Sein Circus ist lebendiges Gesamtkunstwerk.

1982 Wer Karten für eine Vorstellung haben möchte, muss Geduld haben. Die Schlangen vor den Kassen sind unendlich. Der Zirkus ist durch den Circus Roncalli wieder gesellschaftsfähig geworden. In drei Jahren zählt Roncalli 1,6 Millionen Zuschauer. Viele Zirkusunternehmen, die es heute meist schon längst nicht mehr gibt, hängen sich an die Roncalli - Idee und versuchen, vom neuen Zirkuskuchen ein Stückchen abzuschneiden. In diesem Jahr kauft Bernhard Paul Zirkusraritäten und Antiquitäten - er erwirbt u. a. den Nachlass des legendären Clown Grock, der für ihn immer ein Vorbild war und ist. Inzwischen nennt er über 100 historische Holzwagen sein eigen, von denen ca. 60 mit auf Tournee gehen.

1983 Die Grossen der Zirkuskunst geben sich die Ehre. Fredy Knie jun. (Schweizer Nationalzirkus) und seine Frau Mary-José sind mit ihrer Tierdressur zu Gast im laufenden Roncalli Programm. Eine Vorstellung im Circus anderer Art: Ein Gala-Abend, den Roncalli zugunsten des Prinzregentheaters veranstaltet. Der zu der Zeit amtierende Generalintendant August Everding spielt den Circusdirektor.

1984 Ein Jahr der Rekorde - der Zuschauerandrang ist so groß wie nie zuvor. Die Vorstellungen "Die Reise zum Regenbogen" sind Wochen im Voraus ausverkauft. Doch der diesjährige Höhepunkt in der Manege ist die große live Heiligabendshow im ZDF. Heinz Rühmann singt das "Lied vom Clown". Das ist Gänsehaut pur, besonders für diejenigen, die live dabei sind. Bernhard Paul wird mit seinem Circus sesshaft, jedenfalls während der Winterpause. Er kauft in Köln/Mülheim das Winterquartier der berühmten Zirkuskönigin Carola Williams.

1985 Der Circus inspiriert eine namhafte Hamburger Fernsehproduktionsfirma zu einer sechsteiligen Fernsehserie mit dem Namen "Roncalli". In den Hauptrollen sind Stars wie Inge Meysel, Evelyn Hamann, Günther Lamprecht und Eddie Constantine zu sehen. Der Zirkusdirektor wird von Günther Maria Halmer gespielt.

1986 Zehnjähriges Jubiläum! Der Circus wird nicht nur in Deutschland gefeiert, sondern gastiert als erster westdeutscher Circus - als Kulturbotschafter seines Landes - in Moskau. Ein wahnsinniges Unternehmen in Sachen Organisation, denn schließlich muss man durch den "eisernen Vorhang". Der Besuch in der durch Weltkassezirkus verwöhnten russischen Metropole wird ein umjubelter Erfolg und für alle Beteiligten zum unvergessliches Erlebnis.

1987 Natürlich wird das Gastspiel in Moskau dokumentiert. Das Buch "Roncalli in Moskau" mit vielen phantastischen Fotos und Schnappschüssen ist mit im Gepäck und wird zum Verkaufsschlager im Roncalli Souvenirwagen. Zwei Jubiläen:
1. Eine riesige Überraschungsparty für Bernhard Paul: 40 Zirkusdirektoren, 40 Köche und 40 Musiker gratulieren Bernhard Paul zum 40. Geburtstag
2. Berlin wird 750 Jahre und lädt den Circus Roncalli in die noch geteilte Stadt.

1988 Beim "Kölner Frühling" präsentiert Roncalli auf dem Heumarkt seinen historischen Jahrmarkt. Die Sammlung von Circus-, Varieté- und Jahrmarktpretiosen im Hause Roncalli wächst. Mit dem Roncalli-Orchester spielen Bands wie BAP und die Lords beim großen Open-Air auf dem Kölner Roncalli Platz.

1989 Mit Kim und Sum sind erstmalig mongolische Artisten in Deutschland im Circus Roncalli zu sehen. Ende des Jahres ein weiter Meilenstein: Roncalli präsentiert einen Monat lang in Frankfurts Aller Oper (80.000 Besucher) das "Varieté Roncalli" und ebnet der in Vergessenheit geratenen Bühnenkunst den Weg zu einer Renaissance in Deutschland.

1990 Ein Ereignis, das weltweite Schlagzeilen macht. Die Mauer fällt, Deutschland ist vereint. Zu diesem Anlass gastiert Roncalli in Berlin und feiert mit allen Berlinern die Vereinigung. Etwas später, die Mega-Stars Siegfried & Roy aus Las Vegas kommen nach München, um eine Roncalli-Vorstellung zu erleben. Bernhard Paul realisiert schon wieder eine Idee: "Panem et Circenses". Das kulinarische Reisevarieté, mit Hans-Peter Wodarz und Alfons Schubeck an den Kochtöpfen, verbindet im historischen Spiegelzelt Kunst und Gaumenfreuden und löst damit die Welle der "Erlebnis-Gastronomie" aus.

1991 Umjubeltes 15jähriges Bestehen. Die Besucherzahlen werden noch einmal getoppt und die erfolgreichste Tournee seit Bestehen wird mit einer großen Samstagabend-Fernsehshow gefeiert. 50.000 Mal verkauft sich da Buch "Roncalli und seine Artisten". 100.00 € spielen der Circus und "Panem et Circenses" für das Kinderhilfswerk Unicef in Wiesbaden ein. Parallel zu dem Circus Programm und Panem et Circenses spielen "Clowns" in der Freien Volksbühne Berlins und Pauls nostalgischer Jahrmarkt gastiert sechs Monate auf der Landesgartenschau in Hockenheim.

1992 Auf Einladung des Landes NRW geht es zum Sondergastspiel nach Sevilla. Ein circensischer Beitrag zur Expo. Auch in diesem Jahr kommen auf Bernhard Paul neue Aktivitäten zu. Zum ersten Mal fährt er Regie in der Wiener Stadthalle bei der traditionsreichen Show "Artisten, Tiere, Sensationen". In Tschechien dreht er den Kinderfilm "Die dumme Augustine " von Juraj Herz, der den Bayerischen Filmpreis erhält. In Berlin eröffnet der Circusdirektor Paul, zusammen mit André Heller und dem Produzenten Peter Schwenkow, das Varieté "Windergarten", das vom ersten Tag erfolgreich ist. Siegfried & Roy aus Las Vegas kommen eigens nach Berlin, um zur Eröffnung im "Wintergarten" das blaue Band zu zerschneiden.

1993 Wieder ein neues Programm: "Commedia dell´Arte". Damit wird der 1,25 Millionen teure Zeltpalast mit Logen ganz im Stil der Mailänder Skala eingeweiht. Zum ersten Mal seit seinem Abschied im Zorn kehrt Roncalli nach Wien zurück und feiert ein furioses Gastspiel auf dem Rathausplatz. Eine Stadt feiert die "Heimkehr des verlorenen Sohnes" (Helmut Zilk) und verleiht ihm den Goldenen Verdienstorden des Landes. Später -in München- eine Benefiz-Gala mit internationalen Stars der Rockmusik (Bee Gees, Chris Rea, Scorpions, Peter Maffay, Marius Müller-Westernhagen, BAP u. a.) für die "Nordoff-Robbins-Stiftung". Im Dezember wird Bernhard Pauls "Clown II" im soeben wieder eröffneten Wiener Ronacher gespielt.

1994 Ministerpräsident Johannes Rau verleiht Bernhard Paul für seine Verdienste den "Goldenen Landesorden" von NRW. Als einziger Circus überhaupt darf Roncalli in der neuen Hauptstadt seine Zirkusstadt am Reichstag aufbauen. Danach rollen die Bagger an und bauen genau auf diesem Platz das Regierungsviertel.

1995 Immer wieder wird gefragt, wo Bernhard Paul ständig neue Ideen und die Energie hernimmt, diese Ideen auch in die Tat umzusetzen. Das bleibt sein Geheimnis. Öffentlich wird jedoch sein neues Varieté: "Ein Sommernachtstraum" heißt die Produktion, die er im Sommer in der neuen Oper Frankfurt auf die Bühne bringt.

1996 20 Jahre Roncalli - Roncalli gibt von seinem Geburtstagskuchen etwas ab. Von jeder verkauften Eintrittskarte gehen 0,51 € an UNICEF. So kommen stolze €175.000 zusammen. Zwei große TV-Galas: RTL und die ARD geben für das Geburtstagskind ein Ständchen und würdigen die Rolle des Bernhard Paul bei der Wiederbelebung der Circuskunst. Zum Abschluss dieser Jubiläumstournee gastiert der Circus in Kopenhagen im historischen Schumann-Bau. Bernhard Paul erhält vom Bundespräsidenten Roman Herzog das Bundesverdienstkreuz.

1998 Ehre wem Ehre gebührt…Bernhard Paul wird in Wien vom renommierten Max-Reinhardt-Seminar zum Professor h. c. berufen. In Berlin führt er circensische Regie in der George Tabori-Inszenierung der "Zauberflöte". Aufführungsort: natürlich ein Zirkuszelt! In Aachen wird das Roncalli-Café eröffnet, welches Bernhard Paul entworfen und mit Stuckdecken, Kandelabern, Marmorsäulen, Revue-Treppe und vielen anderen Circus-Erinnerungen bestückt.

1999 Der Circusdirektor Paul führt die künstlerische Intendanz der Landesgartenschau Oberhausen OLGA und präsentiert dort seinen historischen Jahrmarkt. Mit einer städtischen Gesellschaft leitet Roncalli auch die Organisation und realisiert die erste Gastenschau ohne öffentliche Zuschüsse.

2000 "Das artistisch anspruchsvollste, technisch aufwendigste und modernste Programm, mit dem Bernhard Paul je unterwegs war", titelte die Rheinische Post nach der umjubelten Saisonpremiere von funiculi funicula. Virtuose Instrumentalisten geben in der Manege des funkelnagelneuen Zeltpalastes den Ton an. Die Musik, von Roncalli-Direktor Bernhard Paul schon immer liebevoll als elementarer Bestandteil der Manegenshow gepflegt, tritt in der aktuellen Inszenierung endgültig aus dem "Schattendasein" als Begleitung hervor und wird selbst "zur großen Nummer". Im Mai 2000 stehen die Musiker der "Höhner", der wohl populärsten Kölner Band, zusammen mit Roncalli-Artisten in der Manege und präsentieren drei Wochen lang in Köln die "Rockin´ Roncalli Show". Zur Eröffnung ihrer Messehallen engagiert die Stadt Leipzig den Circus Roncalli. Mit vierwöchigem Wintergastspiel knüpft er an die große Tradition der festen Zirkus-bauten an. Roncalli historischer Weihnachtsmarkt in Hamburg: Die Hansestadt steht Kopf und hat eine neue Attraktion: in nur vier Wochen besuchen über 3 Millionen Menschen den Budenzauber.